Berlin (ots)
Die von der EU wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verhängten Sanktionen sind in Deutschland kaum durchsetzbar. Das erklärten Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei-Zoll (GdP-Zoll) und Christoph Trautvetter vom „Netzwerk Steuergerechtigkeit“. Der Grund sei, dass bei vielen Vermögen, gerade im Immobilienbereich, die wirklichen Eigentümer unbekannt seien. Trautvetter und Buckenhofer sprechen sich dafür aus, Vermögen anonymer Eigentümer „einzufrieren und unter Zwangsverwaltung zu stellen“. Die GdP-Zoll fordert außerdem die Einrichtung einer Finanzpolizei, da derzeit nicht geregelt sei, welche Behörde für die Durchsetzung der Sanktionen und die Ermittlung des Vermögens sanktionierter Personen überhaupt zuständig sei.
Im Interview mit rbb24-Recherche sagte Buckenhofer: „Einer Durchsetzung von Sanktionen muss ja immer vorausgehen, dass man feststellt, ob es Vermögen von sanktionierten Adressaten in Deutschland gibt.“ Im Bankenbereich sei dies gut geregelt: Kontoinhaber müssten sich identifizieren. Im Immobilienbereich hingegen seien die Eigentumsverhältnisse oft nicht nachvollziehbar. „Wir haben weder ein zentrales Grundbuchamt, noch haben wir ein Transparenzregister, das wirklich Transparenz herstellt. Auch heute ist es noch möglich, Immobilien oder teure Yachten hinter irgendwelchen Limits in irgendwelchen Offshore-Gebieten zu verstecken. Im Grunde genommen weiß keiner genau, wem das gehört.“
Dies hat zur Folge, so Christoph Trautvetter, Finanzexperte beim „Netzwerk Steuergerechtigkeit“, dass in Berlin seit der Krim-Annexion 2014 keine Sanktionen im Immobilienbereich umgesetzt wurden. „Es sind in Berlin nach meinem Wissen überhaupt keine Immobilien eingefroren und von diesen Sanktionen tatsächlich erreicht worden, weil wir gar nicht wissen, wem die Immobilien gehören und deswegen die von den Sanktionen eigentlich betroffenen Immobilien hier in Berlin auch gar nicht identifizieren können.“ Bislang sei auch nicht bekannt, sagte Trautvetter, wie viele Fälle „anonymer“ Immobilieneigentümer es gebe.
Eine Umfrage unter den Berliner Senatsverwaltungen für Inneres, Justiz, Finanzen sowie Bau und Wohnen scheint Trautvetter zu bestätigen. Aktuell wurde in Berlin keine Behörde beauftragt, unbekannte Immobilieneigentümer zu identifizieren, um sie mit den Sanktionslisten abzugleichen. Die Senatsverwaltungen verweisen auf die Zuständigkeit der Bundesregierung.
Um die Russland-Sanktionen wirksam durchzusetzen, schlägt Trautvetter vor, anonyme Vermögen im Immobilienbereich zu identifizieren und unter Zwangsverwaltung zu stellen, da es sich dabei um „Rechtsverstöße gegen unsere Transparenzvorschriften“ handeln würde. Frank Buckenhofer (GdP- Zoll) sagt dazu im rbb-Interview, wenn Eigentümer sich nicht offenbaren, sollten Immobilien oder Jachten als „Vermögen ungeklärter Herkunft“ behandelt und sichergestellt werden.
Der Berliner Immobilienmarkt gilt seit Jahren als „Hotspot“ für russische Investoren. Zwischen 2011 und 2021 haben russische Unternehmen und Privatpersonen Investitionen in Höhe von 442 Millionen Euro getätigt. Das geht aus einer Auswertung der Kaufverträge hervor, die rbb24 Recherche und dem ARD-Politikmagazin Kontraste vorliegt.
Die GdP-Zoll fordert außerdem die Einrichtung einer Finanzpolizei nach italienischem Vorbild, um die Sanktionen wirkungsvoll durchzusetzen. „Wir haben keine Behörde, die den gesetzlichen Auftrag hat, diese Vermögensgegenstände aufzuspüren. Das ist in Deutschland nicht geregelt. Das ist eine zentrale Forderung, die wir als Gewerkschaft der Polizei schon seit über 20 Jahren aufstellen.“
Die Mitte März unter gemeinsamer Führung des Bundesfinanzministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums eingerichtete Taskforce soll jetzt die Zusammenarbeit von Polizeien, Geheimdiensten und Behörden koordinieren, um sanktionierte Vermögenswerte aufzuspüren und gegebenenfalls sicherzustellen. Bislang wurden in Deutschland nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums 95.514.306,40 Euro auf Bankkonten eingefroren.
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