Zum 80. Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion hat der Landtag Brandenburg mit einer Gedenkveranstaltung an die vielen Millionen Opfer erinnert. Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke und Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke verurteilten in ihren Reden den verbrecherischen Krieg, den das nationalsozialistische Deutschland 1939 entfesselt hatte und der mit dem Überfall auf die UdSSR am 22. Juni 1941 drastisch eskalierte. Sie riefen zugleich zum Dialog in gegenwärtigen Konflikten und zum Austausch über Grenzen hinweg auf. An der Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Landtages, der einzigen zu diesem Anlass in einem deutschen Parlament, nahmen Botschafter und Diplomaten aus mehreren Nachfolgestaaten der Sowjetunion teil. Hauptredner war der Historiker Prof. Dr. Michael Epkenhans, ehemaliger Leitender Wissenschaftler und Abteilungsleiter Forschung am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam.
Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke sagte unter anderem: „Wir bekennen uns zur historischen Verantwortung für den verbrecherischen Angriff, den deutsche Soldaten vor 80 Jahren im Namen einer unmenschlichen, rassistischen Ideologie ausführten. Begonnen hatte der Krieg zwei Jahre zuvor mit dem deutschen Überfall auf Polen. Ziel der Kriegsplaner in Berlin war es, ganze Völker zu vernichten oder zu versklaven. So haben alle von Deutschen besetzten und angegriffenen Länder große Opfer gebracht. 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der UdSSR starben, unter ihnen zahllose Kinder. Wir werden das niemals vergessen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass die Geschichte relativiert, kleingeredet, ins Verhältnis gesetzt wird. Tod und Leid lassen sich nicht aufrechnen, und sie dürfen nicht politisch instrumentalisiert werden.“
Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke dankte in seiner Rede dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich auch noch Jahrzehnte nach Kriegsende darum mühen, den unzähligen Toten würdige Orte der Erinnerung zu schaffen. „Es darf kein Vergessen geben. Auch deshalb bin ich froh, dass es in den vergangenen Jahren durch Recherchen in den russischen Archiven möglich geworden ist, den Gefallenen Namen und Geburtsdaten zuzuordnen. So werden aus Nummern Gesichter, die vor unserem inneren Auge lebendig werden. Das macht das millionenfache Leid der Kriegsjahre für uns, die wir diese Zeit nicht miterleben mussten, sehr viel greifbarer.“ Woidke sagte mit Blick auf die aktuellen politischen Spannungen weiter: „Nur eine gemeinsame, stabile Architektur des Friedens wird uns dabei helfen, eine gute Zukunft zu gestalten. Damit sich ein solch schrecklicher Krieg nie mehr wiederholt, gibt es für uns die Verpflichtung und die Chance, Brückenbauer zu sein. Wir haben die Chance, Menschen, Gruppen und vielleicht auch Staaten zum Gespräch zusammenzubringen. Wir haben die Pflicht, es immer wieder unermüdlich zu versuchen – auch wenn Anläufe scheitern. Es gibt keine Alternative zum Dialog!“
Prof. Dr. Michael Epkenhans hob in seinem Gastvortrag hervor: „Kein Krieg in der Geschichte ist so wie der gegen die Sowjetunion von vornherein als gigantisches Verbrechen an Millionen Menschen geplant und durchgeführt worden. Nur wenn wir uns diese Monstrosität immer wieder bewusstmachen und daraus die richtigen Lehren ziehen bei der Gestaltung unserer Politik nach innen und nach außen, beim Umgang mit unseren Mitmenschen, woher sie auch immer kommen, welchen Glauben sie auch immer haben, und bei der Wahrung der kritischen Erinnerung daran, können wir dazu beitragen, dass ein derartiges Ereignis sich nicht wiederholt. Wer dieses Geschehen zu relativieren versucht, versündigt sich auch 80 Jahre später erneut an den Millionen Opfern auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, aber auch in den anderen Ländern Europas, die zwischen 1939 und 1945 dem Terror des Regimes ausgesetzt waren.“
Musikalisch gestaltet wurde die Gedenkstunde durch den Potsdamer Geiger Yakov Kopel und den Akkordeonisten Alexej Kulikowskii; sie spielten Werke von Mikael Tariverdiev, Isaak Dunaewski, Georgi Sviridov, Nikita Bogolovsky und Dmitri Schostakowitsch. Die Schauspieler Manolo Palma, Laura Mitzkus und Charles Toulouse verlasen zudem Auszüge aus den „Juni-Briefen“, die 1941 von Menschen in der Sowjetunion geschrieben, aber wegen des Krieges nie zugestellt wurden. Die ungelesenen Briefe kamen als Beutegut nach Deutschland und wurden 2010 zurückgegeben.
Die Veranstaltung wurde im Livestream übertragen und steht demnächst als Aufzeichnung über den Youtube-Kanal des Landtages zur Verfügung, der kostenfrei abonniert werden kann.
http://dlvr.it/S2JNW6
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